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Aiko ist inzwischen rund neun Monate alt. Um es gleich vorwegzunehmen: anfangs
hielten wir ihn schon für recht schwierig, doch letztlich ging es darum, mehr Verständnis
für einen Hund mit spezifischen Rasseeigenarten zu entwickeln und sich entsprechend
darauf einzustellen. Ein paar Mal hatte er sich nämlich schon selbständig gemacht, lief
im Wald irgendwelchen Spuren nach oder besuchte andere Hunde in der Umgebung,
mit denen er sich angefreundet hatte, und dachte gar nicht daran, unseren Zurufen
Folge zu leisten. Bei den „Schoßhundbesitzern" unserer Nachbarschaft bekam Aiko
schon den Ruf eines unfolgsamen, schlecht erzogenen Hundes. Vielmehr konnten wir
der Fülle wohlgemeinter Hundeerziehungstipps, die uns so angetragen wurden,
entnehmen, dass man uns für reichlich unbedarft hielt, was so eine „richtige"
Vierbeinererziehung betrifft. Zum Glück habe ich jedoch einige Erfahrung – wenn diese
nun auch schon etwas länger zurückliegt – mit der Erziehung eines Colly-Rüden, der
problemlos ohne Leine bei Fuß ging, auf Zuruf sofort zu mir kam und dem allenfalls in
seiner Jugend „die Pferde durchgingen", wenn er mal Spielkameraden sichtete. So
dachte ich mir dann anlässlich erneuter „guter Ratschläge": „Leute, legt euch doch erst
mal selbst einen Husky zu, und dann könnt ihr mitreden!" Was uns zum Charakter eines
Huskies bringt.
Natürlich benötigt ein Husky eine recht konsequente Erziehung - das hatten wir aus
entsprechender Literatur bereits in Erfahrung gebracht – denn gern nützt er jede
„Schwachstelle" gewissenlos aus. Deshalb hielt ich es auch für durchaus angezeigt,
nach Aikos selbst genehmigten Sonderurlauben mit ihm anschließend jeweils eine extra
Übungsrunde zu unternehmen, die ihm wieder zeigte, dass ich auf einigen
grundlegenden Benimm-Regeln nach wie vor bestand. Dies wurde auch deshalb nötig,
da unser Husky nach solchen selbst genehmigten Sonderurlauben offenbar annahm, er
könne jetzt generell machen, was er will. Aiko benötigte also eine Weile, um einen
gewissen Respekt zu lernen, was ihn allerdings nicht daran hinderte, bei nächster
Gelegenheit doch wieder jagen zu gehen oder – was besonders in der kalten Jahreszeit
auftrat – schnell noch ein paar Freunde zu besuchen, wenn er merkte, dass ich mich
nach unserem Abendspaziergang schon vorzeitig wieder auf den Heimweg machen
wollte.
Und dies, so denke ich inzwischen, sind genau die zwei Grenzen der
Gehorsamsfähigkeit eines Huskies: der Jagdtrieb und der Bewegungsdrang. Gegen
Ersteren hilft wirksam in Waldgegenden wohl nur die Leine oder – falls man dies
versäumt hat – geduldiges Warten, bis der Hund von allein wieder auftaucht. Was den
zweiten Fall betrifft, so musste besonders ich lernen, dass ich einem Husky keinen
völligen Gehorsam abverlangen kann, wenn ich nicht auch dafür sorge, dass er so
richtig ausgelastet ist. Meine Frau z.B. ist eigentlich weniger konsequent mit Aiko
umgegangen als ich, und doch hat sie kaum Schwierigkeiten mit ihm. Warum? Nun, sie
hat sich inzwischen mit einer Colly-Züchterin angefreundet und trifft sich mit dieser und
ihren inzwischen vier Hunden fast jeden Tag zum gemeinsamen morgendlichen
Spaziergang zusammen mit Aiko. Das geht dann so ca. 1,5 bis 2 Stunden, in denen die
fünf Hunde sich so richtig austoben können und voll auf ihre Kosten kommen. Unter
solchen Bedingungen gibt es dann auch kaum Disziplinschwierigkeiten. Die traten
symptomatischerweise nämlich dann auf, wenn ich der irrigen Annahme war, ich könnte
es nach Feierabend bei einem kleinen 45-Minuten-Marsch mit Aiko bewenden lassen.
Solange wir uns von daheim fortbewegten, lief das auch recht gut. Aber wehe es ging
anschließend zu bald schon wieder heim. Hat er dagegen die Gelegenheit sich so
richtig auszupowern, dann gibt es bei etwas Konsequenz auch keine größeren
Disziplinschwierigkeiten.
Wie sehr Aiko auf Bewegung und Abenteuer aus ist, zeigt sich jeden Morgen, wenn die
Kinder zur Schule aus dem Haus gehen, in einem fast schon rituellen Schauspiel. Da
ich erst kurz nach ihnen das Haus verlasse, habe ich Gelegenheit, das Spektakel
mitzuerleben. Aiko läuft dann völlig aufgeregt hin und her und beginnt zwischendurch
ein durchdringendes Wolfsgeheul, das sich nur mit Mühe in erträglichen Grenzen halten
lässt. Das dauert dann so lange, bis meine Frau schließlich zum allmorgendlichen
Ausgang mit ihm aufbricht. Hier zeigt sich der ganze riesengroße Bewegungs- und
Unternehmungsdrang eines Schlittenhundes, den ich in dieser Intensität noch bei
keinem anderen Hund beobachtet habe.
Andererseits aber reagiert Aiko dann, wenn andere normalerweise schier aus dem
Häuschen geraten, oft geradezu cool. Die meisten „normalen" Hunde begrüßen ihre
heimkehrenden Angehörigen in der Regel mit Schwanzwedeln, Bellen und dergleichen,
um ihre übergroße Wiedersehensfreude auszudrücken. Nicht so unser Aiko. Er liegt
meistens an seinem geliebten Aussichtsplatz hinter der verglasten Haustür und
beobachtet, was draußen so alles geschieht. Wenn dann einer von der Familie
heimkehrt, muss er erst einmal die Tür samt Hund beiseite schieben, um sich Zutritt zu
verschaffen. Kaum dass unser Rüde seinen Schwanz ein- zweimal hin und herbewegt
(Wedeln will ich das nicht nennen), an Aufstehen ist bei ihm überhaupt nicht zu denken.
Zu erkennbaren Emotionen lässt er sich nur dann hinreißen, wenn jemand völlig
unerwartet heimkehrt, z.B. spätabends.
Nicht dass er keine enge Beziehung zu uns hätte – er ist einfach zuweilen etwas
reserviert und liegt dann gern allein im Treppenhaus, wo es ohnehin kühler und damit
für ihn angenehmer ist. Auf der anderen Seite liegt er sehr gern bei unseren Kindern,
wenn diese auf der Erde spielen. Besonders an unserem Jüngsten, der sich zur
„Freude" seiner Eltern gern von Aiko rundherum ablecken lässt, hat er schier einen
Narren gefressen. Und es ist manchmal geradezu erstaunlich, was so ein Husky sich
von Kindern alles klaglos gefallen lässt.
Von den Kindern haben meine Frau und ich uns dann auch abgeguckt, uns einfach zu
Aiko auf die Erde zu setzen oder zu legen und so mit ihm zu spielen. Man bekommt so
ein ganz anderes, vertrauteres Verhältnis zum Hund. Und auch Aiko gefällt dies ganz
offensichtlich. Gern spielt er dann mit uns und bleibt anschließend auch noch eine
Weile ruhig im Wohnzimmer bei uns liegen, bevor es ihn dann wieder zu seinem
Aussichtsposten hinter die Haustür zieht.
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